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Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst

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zur Interpretation absoluter Musik

Um diese Schrift wieder unter den großen Bogen zu bringen, sei an die Einleitung und die Bestandsaufnahme hinsichtlich des biopsychosoziokulturellen Eingebundenseins von Menschen erinnert. Biologie und Psychologie driften beim sprachlich kommunizierenden Menschen auseinander. Biologische Naturgesetze beeinflussen nicht mehr allein psychologisches Verhalten, sondern jenes wird maßgeblich motiviert durch soziokulturelle Einflüsse. Wir lernen zumeist, unglücklich zu sein. Bei den meisten Menschen verhindern die externen Einflussnahmen den Zustand des völligen körperlichen und geistigen Wohlbefindens, schlimmer noch, natürliches Empfinden wird immer mehr zurück gedrängt, immer undenkbarer.

Auf dem Boden dieser Erkenntnis gelingt es, einen ganz maßgeblichen Aspekt beim heutzutage (2007 n. Chr.) praktizierten Musizieren zu analysieren, nämlich die Tatsache, dass es den meisten Musikern sehr schwer fällt, Kompositionen zu interpretieren, bei denen nicht das technische, aufgesetzte Zierat (bei tonaler Musik) oder die ausschließliche Technik (bei atonaler Musik) im Vordergrund stehen. Sollen Inhalte transportiert werden, bei denen die Mittel des Komponierens nur Werkzeug sind, jedoch die großen Bögen ausschweifender „Gedanken“ per Melodie zur Darstellung gelangen, ist es auf einmal vorbei mit der Leichtigkeit des Musizierens. Die Interpretation alt bekannter Werke der großen Tondichter vergangener Eppochen ist schon schwer genug, aber bei diesen hat man wenigstens Anhaltspunkte zur Interpretation über die zahlreichen, bereits vorhandenen Tondokumente. Wie aber sollen neue Kompositionen interpretiert werden, wenn der hinter einer Melodie stehende Gedanke so gar nicht mehr vom Interpreten nachvollzogen werden kann, ja, gelegentlich sogar eine innere Sperre vorhanden ist, die es dem Musiker verbietet, Schleusen des Gefühles zu öffnen, die ihn in einem Strudel der Emotionen an den Grund seiner Existenz führen. Gar schrecklich kann sein, was dann zum Vorschein kommt. Es resultieren existentielle Ängste. Und Panikattacken bei einer Aufführung zu bekommen, ist ja nicht gerade angenehm.

Aus diesen Gründen steht vor jeder Aufführung zumeist mühseligste Probenarbeit, bei der oftmals jeder einzelne Ton einer Melodielinie mit genauer Lautstärkenvorgabe und jeder Nuance des Einsatzes besprochen werden muss, um schließlich ein schlüssiges Ergebnis hörbar zu machen. Kein Wunder, dass aktuelle Musiker sich zwar stets trotz, hinter vorgehaltener Hand, zugegebenen Widerwillens gegenüber atonalen Kompositionen willig zu deren Interpretation bereit erklären und auch immer ostentativ zur Schau gestellt davon schwärmen, wie interessant die Zusammenarbeit mit dem Komponisten bei der Erarbeitung des Stückes sei, wo hingegen blanke Ablehnung erkennbar wird, wenn es um das Spielen neu komponierter einfachster tonaler Stücke geht. Wir wissen doch, wie schwer Schuberts Winterreise, ja selbst ein Stück wie das „Heidenröslein“ zu singen ist. Um diese Kompositionen wirklich gut hörbar zu machen, müsste eigentlich eine geistige Wesensverwandtschaft mit dem Komponisten bestehen. Ansonsten ist das Ergebnis bestenfalls technisch brillant, aber sehr kühl.

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Michael Paulus - Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert: 23.05.2016 10:37:07

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