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Kunst und Gut

 
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Immer öfter sind in unserer Zeit (2008 n. Chr.) Meinungen zu hören, die den Sinn von Kunst in Frage stellen. Kunst sei nicht lebensnotwendig. Für Kunst interessiere sich kaum jemand mehr. Sie sei nur von historischem Interesse. Man betrachte sie staunend als Relikt einer vergangenen Zeit.

Auf sonderbare Art und Weise scheint moderne Kunst gar nicht mehr als Kunst im engsten Sinn aufgefasst zu werden, sondern als Teil einer durchwegs materialistischen Sicht der Dinge. Wenn alles Kunst ist und jeder Künstler sein kann, ist Kunst nicht mehr von alltäglichen Dingen abzutrennen.

Es interessiert nicht die Auseinandersetzung mit den Geheimnissen des Lebens, sondern der Materieexzess, der überrascht und verschreckt. Originäres ist gefragt, aber nicht in des Wortsinnes tiefster Bedeutung nach allgemein gültigen, ursprünglichen Regeln Gestaltetes, sondern neuen, individuellen Gesetzen gehorchend. Geradezu zwanghaft werden die überlieferten Regeln, nach denen ein Kunstwerk zu schaffen sei, überbordet, um a priori als modern zu gelten.

Der Zwang nach immer neuen Ideen muss zwangsläufig zu einer weitgehenden Ausschaltung logischer Denkmuster führen, da nur mehr im Irrationalen Neues entdeckt wird.

Moderne Kunst, deren erzwungene Präsentation eben noch hitzige Diskussionen auslöste, erregt morgen kaum jemanden mehr.

Der tiefste Sinn moderner Kunst scheint den meisten Betrachtern verborgen zu bleiben. Es ist die absolute Logos - Negierung, die moderne Kunstwerke ausstrahlen. Das Leben erscheint dem Materialisten zufällig und, ohne Ausreizung der Selbsterhaltungs- und Arterhaltungstriebe, sinnlos und unlogisch. Die moderne Kunst reflektiert über diese Unlogik, weshalb sich der Materialist in ihr erkennt. Sie ist jene Instanz, die die moderne Absolution vergibt: „Ich kann so schlecht nicht sein, wenn sogar die Kunst so ist wie ich.“ Auch die katholische Kirche hat diesen Gedanken der modernen Absolution aufgegriffen, indem sie moderne Kunst fördert und derart auch dem atheistischen Sünder ein Zufluchtsort bleiben möchte. Wie jedoch die Negierung der Dimension Gottes mit dem Glauben an dieselbe vereinbar sein soll, wird wohl ein ewiges Geheimnis unlogischer Denkmuster bleiben.

Gestaltungswille und Gestaltungskraft schaffen Kunstwerke, die immer wieder neu von der Naturwerdung und Menschwerdung Gottes künden. Beispielhaft sei hier die Pietà Michaelangelos erwähnt. Es ist dabei völlig unerheblich, in welchem sonstigen soziokulturellen Umfeld diese Kunstwerke entstehen. Ein derartiges Kunstwerk schafft Stimmungen, zu denen Religionen in Absenz von Kunst Jahrhunderte an friedlicher und kriegerischer(!) Überzeugungsarbeit benötigen würden. Diese Zusammenhänge wurden von Menschen wie Papst Julius II. erkannt, als jener 1506 Michelangelo den Auftrag zur Gestaltung der Decke der Sixtinischen Kapelle erteilte. Die Qualität solcher Kunstwerke hat etwas Göttliches an sich. Eine derartige Gestaltung entzieht sich völlig logisch jedem Zufall, ganz im Gegensatz zu modernen Kunsterzeugnissen, die ja dem Zufall in der Materie geradezu das Wort reden. Moderne Kunst in einer Kirche? Möge jeder und jede für sich diese Frage kommentieren.

Um zum Titel dieser Rede, Kunst und Gut, zu kommen: „Gut“ ist hier als Ableitung von „begütert“ zu verstehen. Große Kunst kann nur entstehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Erst die Entwicklung von komplexen Gesellschaftsstrukturen ermöglichte Kreativen die unbehinderte Kunstausübung. Lange Zeit funktionierte ein sehr logisches System: Herrschende Schichten finanzierten Kunstwerke und lieferten damit einen Beitrag zur Absolution ihrer Sünden. Gleichzeitig garantierte ihnen der Umstand, Auftraggeber herausragender Kunstwerke zu sein und damit geniale Künstler zu fördern, eine bessere Nachrede. In unserer aktuellen Zeit fühlt sich kaum ein Mäzen mehr Gott verpflichtet, sondern nur mehr sich selber. Infolgedessen fördert das moderne Mäzenatentum jene Kunstwerke, in denen es sich wiedererkennt, und nicht mehr jene, vor deren Geist es sich verneigt. Schlimmer noch: Der „Geldadel“ hat Angst vor den wahrhaft Kreativen, weil er sie als Konkurrenz betrachtet. Nichts ist jedoch irriger als diese Annahme, wie auch an dem bereits genannten Beispiel Papst Julius II. und Michelangelo abzulesen ist. Immerhin galt Michaelangelo für seine Zeitgenossen als uomo terribile, weil er seine Ideen und Kunstvorstellungen kompromisslos und furchtlos umsetzte und Julius II. erhielt ebenfalls den Beinamen il terribile, der Schreckliche. Seine militärischen Interessen waren sehr ausgeprägt. Weil er keinerlei Hemmung hatte, Menschen zu töten und keine Gnade kannte, nannte Martin Luther ihn „Blutsäufer“. Und dennoch ließ dieser „Blutsäufer“ Michelangelo gewähren, weil er dessen Größe anerkannte. Michelangelo wäre wohl nie auf die Idee gekommen, sich dafür zu „bedanken“, indem er zum Sturz Julius II. aufgerufen hätte.

Wie in meinen Vorreden eindeutig zum Ausdruck kommt, ist eine Vollendung der Menschwerdung im Sinne des sich verantwortungsvoll Erhebens über die ursprüngliche Natürlichkeit undenkbar, wenn nicht die Dimension eins übergeordneten Logos erfahren und mittels Kunstwerken materialisiert wird.

Im Interesse der gesamten Menschheit ist es daher, dass jene Kreise, die sich dem uferlosen Anhäufen von Sachwerten und Machtbefugnissen verschrieben haben, zur Einsicht gelangen, dass sie ihre Absolution nur durch Förderung von den Logos befriedigenden Kunstproduktionen erlangen können und damit gleichzeitig einen direkten Beitrag zu einer besseren Welt liefern.

Menschliche Handlungen, die nicht auch durch Logos, sondern nur mehr durch Ego motiviert sind, verlieren den Bezug zur Realität. Die damit einher gehenden psychischen Störungen werden jedoch nicht als Symptome dieses Umstandes erkannt, sondern als Aufforderung zu noch weitergehender Emanzipation.

Ein sich nur mehr seinem Ego verpflichtet fühlender Künstler benötigt geradezu bewusstseinserweiternde Drogen, weil ihm jene vorgaukeln, kreativ zu sein. Nüchtern ist er gefangen in seinem beschränkten Bewusstsein eines unlogischen und sinnlosen Lebens.

Diese Künstler zu fördern und zu ehren bedeutet, ihnen vollendet die Chance zur Einsicht in die grundlegenden Zusammenhänge ihres Vegetierens zu nehmen.

Es ist höchste Zeit, eine Trendwende einzuleiten und wieder jene Kreativität zu fördern, die ihre Kraft nicht aus der Ohnmacht der Sinnlosigkeit, sondern aus der Allmacht einer transzendenten Logik bezieht.

© Michael Paulus, 2008

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